Es passiert mir zwar immer seltener, aber es passiert mir leider nach wie vor ab und zu – dass ich quasi blind im Supermarkt zu Bio-Lebensmitteln greife, in der naiven Annahme österreichische Ware in mein Einkaufswagerl zu legen. Zu Hause bei genauer Betrachtung ist die Wut auf mich selbst, nicht achtsamer aufs Kleingedruckte geachtet zu haben dann genauso groß wie auf unsere global agierende Lebensmittelindustrie, wenn ich „Heurige Erdäpfel“ aus Israel oder Walnüsse aus Chile in Händen halte. Prinzipiell kann ich meinem Wunsch nach Regionalität ganz einfach nachkommen, in dem seit Jahren, nein es ist sogar schon über ein Jahrzehnt, vom Biohof Adamah mit einem regionalen Kisterl beliefert werde. Dazwischen stocke ich meinen Lebensmittelvorrat am Liesinger Markt bei Bio Binder oder anderen befreundeten KleinbäuerInnen auf. Aber dazwischen kommt’s halt immer wieder vor, dass es schnell mal eine Kleinigkeit braucht und da ist es oft gar nicht so einfach in hiesigen Supermärkten auf einheimische Ware zu stoßen, deutsche Produkte sind da noch das geringste Übel, aber bei all der bäuerlichen Produktionsvielfalt in unserem Land auch alles andere als notwendig.
In vielen unterschiedlichen Ländern wird deshalb in den letzten Jahren der Schrei nach eine „Ernährungswende“ laut. LandwirtInnen, GärtnerInnen und FoodaktivistInnen schließen sich zu sogenannten „Ernährungsräten“ zusammen, die sich gemeinsam für regionalisierte Lebensmittelversorgung einsetzen.
Auch in Österreich haben sich schon einige sogenannte Food Coops formiert. Vor einigen Monaten hat sich auch mit ganz viel positiver Leidenschaft die Food Coop Wienerwald formiert: Eine Gruppe von Personen bzw. Haushalten schließt sich zusammen, um Sammelbestellungen direkt beim Hersteller zu tätigen. Das ermöglicht der/dem Einzelnen Zugang zu ProduzentInnen, die sonst meist unmöglich sind, sowie durch Sammelbestellungen verursachte günstigere Preise. Die bestellten Lebensmittel können dann zu einer fixen Zeit an einem zentralen Ausgabeort – im konkreten Fall im Tauschlokal des Talenteverbunds Wienerwald – abgeholt werden. Unabhängig, vertrauenswürdig und so frisch wie nur möglich auf den Tisch.
Wer mehr über die vielfältigen Vorteile solcher Bürgerinitiativen in Richtung Ernährungssouveränität lesen möchte, dem sei die wunderbare Neuerscheinung aus dem oekom Verlag ans Herz gelegt:
Oertel/Pohl/Thun: GENIAL LOKAL.
So kommt die Ernährungswende in Bewegung. oekom Verlag 2018
„Nur noch ein Bruchteil dessen, was Städter heute essen und trinken, stammt vom nahen Land. Derart vom globalen Markt abhängig, sind unsere Versorgungssysteme leicht verwundbar. Politische Krisen und der Klimawandel könnten die Ernährungssicherheit von Städten und Kommunen bald ernsthaft gefährden. Die einzig zukunftsfähige Antwort darauf: Wir müssen unsere Ernährungssysteme widerstandsfähig gegen Krisen machen, sie ‚re-lokalisieren.
Mit ‚genial-lokalen“ Lösungen, die zugleich ökologisch nachhaltig und global gerecht sind, und mit vereinten Kräften kann uns das gelingen! Dieses Buch hilft dabei, zu verstehen, wie Ernährungssysteme heute funktionieren und was ihren Wandel in Gang setzen kann, welche Rolle lokale Ernährungsräte dabei spielen und wie man solche Bürgerinitiativen gründet.“
(Gundula Oertel, Christine Pohl, Valentin Thun)